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Dipl. Biol. Martina Veith, PD Dr. Timm Greulich

Mittlerweile ist es 59 Jahre her, dass Laurell und Eriksson die ersten Fälle von Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) beschrieben haben. Seither konnte viel über die Erkrankung gelernt werden (1). AATM ist die häufigste Erbkrankheit bei Erwachsenen (2), und obwohl ca. 120.000 Menschen in Europa den Pi*ZZ-Genotyp tragen (Pi*ZZ ist eine häufige Mutation bei AATM), ist nur ein geringer Teil hiervon diagnostiziert und wird behandelt (3). Eine frühzeitige Diagnose ist jedoch sehr wichtig, damit die Ärzte vorbeugende Maßnahmen ergreifen und bei Bedarf eine angemessene Behandlung einleiten können.

Das Alpha-1-Antitrypsin-Labor an der Universität Marburg wurde 2003 gegründet und ist europaweit eines der führenden Labore, wenn es um die Diagnostik von Alpha-1-Antitrypsin-Mangel geht. Die meisten spezialisierten Labore haben ihren eigenen diagnostischen Algorithmus für die AATM-Detektion entwickelt, und somit unterscheidet sich die Abfolge der diagnostischen Verfahren von Labor zu Labor.

Die AATM-Diagnose sollte in der Regel mit der Bestimmung der AAT-Konzentration im Blut beginnen. Bei einem begründeten Verdacht auf AATM, z. B. wenn der Patient anhaltenden Husten, Auswurf oder Atemnot hat, sollte der Hausarzt oder Lungenfacharzt (Pneumologe) die Bestimmung des Alpha-1-Antitrypsin (AAT)-Spiegels im Serum, i. d. R. in einem heimatnahen, kommerziellen Labor veranlassen. Bei einem Serumspiegel von weniger als 90 mg/dl (0,9 g/L), sollte anschließend die molekulargenetische Analyse zum Nachweis verschiedener Mutationen eingeleitet werden, um einen möglichen AAT-Mangel auf DNA-Ebene zu bestätigen.

In der DNA (englisch deoxyribonucleic acid) sind die Informationen zur Entwicklung und Funktion der Lebewesen kodiert. Jeder Abschnitt der DNA, der für ein bestimmtes Protein kodiert, wird als Gen bezeichnet. Die DNA ist also der Bauplan (genetischer Code) für die Herstellung von Proteinen. Ein Mangel an AAT beruht auf Mutationen (Veränderungen) im genetischen Code für AAT, dem SERPINA1-Gen (Serin-Proteasen-Inhibitor A1-Gen). Auf diesem Abschnitt der DNA wird nach Mutationen geschaut.

Das Alpha-1-Antitrypsin-Labor Marburg bietet einen Service zur kostenfreien Durchführung der molekulargenetischen Analyse an, unterstützt von Grifols.

Seit Juni 2021 stehen hierfür zwei Testverfahren zur Verfügung:

  1. Das AlphaKit® von der Firma Grifols (DNA wird aus Trockenblut gewonnen; siehe hier auch Artikel „Was passiert mit meiner Probe im Labor“) und
  2. ein neues Testverfahren mit dem sogenannten „AlphaID®“(Grifols). Dieses erfolgt über einen einfachen Wangenabstrich (Abbildung 1). Mithilfe eines sterilen Schwämmchens wird Wangenschleimhaut (Epithelzellen) abgestreift. Die Probe wird auf einer Webplattform durch den Arzt mit einem Barcode registriert. Jeder AlphaID® hat einen separaten Barcode. Die Probe mit dem Barcode wird anschließend per Post an das Alpha-1-Antitrypsin-Labor Marburg geschickt.

Aus den Epithelzellen dieser Probe lässt sich DNA gewinnen und innerhalb weniger Stunden gelingt mittels einer Multiplex-Polymerase-Kettenreaktion (englisch polymerase chain reaction, PCR) der parallele Nachweis auf die 14 häufigsten AAT-Mutationen (Tabelle 1). Wichtig ist jedoch, dass der Spender 30 Minuten vor der Entnahme des Wangenschleimhautabstrichs nicht essen, trinken (auch kein Wasser!), rauchen oder Kaugummi kauen darf.

Die Information über die Ergebnisse der Testung auf AATM mit dem AlphaID® kann der Arzt wenige Tage nach Einsendung der Probe über das Webportal abrufen. Nur der Arzt kann mittels des Probenbarcodes die Ergebnisse mit den Patientendaten in Verbindung bringen.

Bei Ergebnissen, die nicht durch die PCR zu erklären sind oder bei dem Verdacht auf seltene Mutationen, können weitere Analysen notwendig sein. Es gibt die Möglichkeit, den genetischen Code für das Alpha-1-Antitrypsin zu sequenzieren. Hierbei wird die Reihenfolge der Bausteine (Basen) in der DNA bestimmt und danach mit einer Vorlage (Referenzsequenz) verglichen.

Ein Vorteil beim AlphaID® ist der, dass kein zweites Mal Blut entnommen werden muss (nicht-invasiver Test) und die Anwendung sehr einfach ist. Dieser Test ist damit auch für Säuglinge, Kleinkinder und ängstliche Menschen geeignet.

Je nach Art und Stelle der Mutation auf dem SERPINA1-Gen ist das AAT-Protein in der Aktivität wenig reduziert, stark reduziert oder das AAT-Protein fehlt komplett. Somit ist die Schutzfunktion von AAT (enzymatischer Abbau von Lungengewebe) nicht mehr oder nur noch teilweise vorhanden:

Mutationen Proteinaktivität von Alpha-1-Antitrypsin (AAT)
PI*I wenig reduziert
PI*M procida stark reduziert
PI*M malton, PI*M palermo, PI*M nichinan stark reduziert
PI*S iiyama stark reduziert
PI*Q0 granite falls keine (kein AAT-Protein messbar)
PI*Q0 west keine (kein AAT-Protein messbar)
PI*Q0 bellingham keine (kein AAT-Protein messbar)
PI*F wenig reduziert
PI*P lowell, PI*P duarte, PI*Q0 cardiff, PI*Y barcelona wenig reduziert
PI*S wenig reduziert
PI*Z stark reduziert
PI*Q0 mattawa, PI*Q0 ourem keine (kein AAT-Protein messbar)
PI*Q0 clayton, PI*Q0 saarbruecken keine (kein AAT-Protein messbar)
PI*M heerlen stark reduziert

Tabelle 1: Die 14 Mutationen, die mit dem A1AT Genotyping Test von Progenika Biopharma (Grifols) direkt detektiert werden können.

Testverfahren Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Kit für den Wangenabstrich – dieser wird nach Anleitung (liegt dem Kit bei) durchgeführt und die Probe per Post an das Alpha-1-Antitrypsin-Labor Marburg geschickt.

 

Quellen

(1) C.-B. Laurell & S. Eriksson (1963) The Electrophoretic Alpha-1-Globulin Pattern of Serum in Alpha-1-Antitrypsin Deficiency, Scandinavian Journal of Clinical and Laboratory Investigation, 15:2, 132-140, DOI: 10.1080/00365516309051324 (2) Gramegna, Andrea et al. “Alpha-1 antitrypsin deficiency as a common treatable mechanism in chronic respiratory disorders and for conditions different from pulmonary emphysema? A commentary on the new European Respiratory Society statement” Multidisciplinary respiratory medicine vol. 13 39. 8 Oct. 2018, doi:10.1186/s40248-018-0153-45 2017, Alpha-1 European Expert Group Recomm (3) Torres-Durán, M., Lopez-Campos, J.L., Barrecheguren, M. et al. Alpha-1 antitrypsin deficiency: outstanding questions and future directions. Orphanet J Rare Dis 13, 114 (2018). https://doi.org/10.1186/s13023-018-0856-9

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