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Rauchentwöhnung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Nachfolgend finden Sie die neuesten Artikel zum Themenkomplex ‚Rauchentwöhnung‘:

Rauchstopp – einfach machen?

Ein Rauchstopp ist generell für alle Raucher enorm wichtig, insbesondere aber ist er für Patienten mit rauchassoziierten Erkrankungen, wie z. B. koronarer Herzerkrankung (KHK), peripher arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), Schlaganfall, Atemwegs- oder Krebserkrankungen, häufig die wichtigste und effektivste therapeutische Maßnahme, um ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten oder deutlich zu verlangsamen. Eigentlich bedarf es für den Rauchstopp lediglich den Entschluss, mit dem Rauchen aufzuhören und eine Verhaltensänderung in den bisherigen Rauchsituationen. Eigentlich – in der Realität stellt es sich für zahlreiche Raucher jedoch deutlich schwieriger dar.

Zahlen und Fakten zum Rauchen

Das inhalative Tabakrauchen ist in Deutschland der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen und für vorzeitiges Sterben. Die über 8.000 chemischen Substanzen im Tabakrauch beeinträchtigen letztlich alle Organe des Körpers und führen zu Erkrankungen wie
z. B. koronarer Herzerkrankung (KHK), zu Herzinfarkten, zu Schlaganfällen, zur arteriellen Verschlusskrankheit der Beine (pAVK), zu zahlreichen Krebserkrankungen und insbesondere auch zu Atemwegserkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder dem Lungenemphysem.

Die Hälfte der Raucher stirbt aufgrund solcher tabakrauchassoziierter Erkrankungen und die Hälfte der Raucher stirbt bereits vor dem 70. Lebensjahr. In Deutschland versterben laut Daten der Bundesregierung jährlich mind. 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakrauchens, also rund 350 Menschen täglich. Die drei Hauptkiller sind Herz-/Kreislauf-erkrankungen, Lungen- und Krebserkrankungen – Leid und Sterben, die vermeidbar wären, wenn Menschen erst gar nicht mit dem Rauchen beginnen oder zumindest sehr früh wieder aufhören würden.

In Deutschland rauchen jedoch immer noch rund 25 % der Erwachsenen, in der Altersgruppe der 20 – 60-Jährigen sogar rund 33 %. In Deutschland sind mit dem Rauchen jedes Jahr erhebliche Kosten für den Staat und damit für jeden einzelnen Bürger verbunden: die direkten Gesundheitsausgaben belaufen sich laut wissenschaftlichen Kalkulationen auf rund 30 Mrd. Euro und indirekte Kosten z. B. durch Produktivitätsverlust und Arbeitsunfähigkeiten auf rund 67 Mrd. Euro. Demgegenüber stehen Steuereinnahmen von nicht ganz 15 Mrd. Euro.

Bei all diesen Fakten und Zahlen ist durchaus die Frage erlaubt, warum ein solches Produkt nicht viel stärker reglementiert wird, anstatt es an der Supermarktkasse oder 24/7 in Tankstellen zu verkaufen?

Warum hören Raucher nicht einfach auf?

Die meisten Raucher sind mit dem eigenen Verhalten unzufrieden, der größte Teil möchte eigentlich aufhören oder zumindest deutlich reduzieren. Dennoch hören jedes Jahr nur wenige erfolgreich (sprich auch langfristig) auf.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen liegt eine jahre-, meist jahrzehntelange fest eingeschliffene Gewohnheit vor – und Gewohnheiten lassen sich in aller Regel nicht einfach so von jetzt auf nachher ändern. Sie müssen „abtrainiert“ werden und „Training“ ist immer mit mehr Anstrengung verbunden als „Nicht-Training“.

Zum anderen haben die Zigaretten für Raucher bestimmte Funktionen wie beispielsweise Stressabbau, Konzentrationssteigerung, Strukturierung des Tages, Pausengestaltung, das Pflegen von sozialen Kontakten, das Überbrücken von Langeweile und – paradoxerweise, obwohl kaum einem Raucher die erste Zigarette seines Lebens je geschmeckt hat – auch „Genuss“. Deshalb sind Raucher in Bezug auf das Aufhören hin- und hergerissen (ambivalent): einerseits wissen sie, dass ihnen das Rauchen gesundheitlich nicht guttut, andererseits sind sie es eben schon lange gewohnt und das Rauchen erfüllt für sie bestimmte Funktionen.

Als dritter wichtiger Punkt liegt bei vielen Rauchern eine Abhängigkeit vom Tabakrauch, insbesondere dem darin enthaltenen Hauptwirkstoff Nikotin, vor. Raucher müssen sich ihren Suchtstoff immer wieder aufs Neue zuführen, da sie sonst Entzugssymptome wie z. B. Nervosität, Konzentrationsstörungen, Gereiztheit, Aggressivität, Schlafstörungen und vor allem ein starkes Rauchverlangen verspüren. Sie müssen mit dem Rauchen also einen Negativzustand beseitigen, den sie ohne das Rauchen gar nicht hätten.

Spontane Aufhörversuche mit der sogenannten Silverstermethode („Ich hör dann mal auf“) ohne Vorbereitung und ohne Unterstützung haben deshalb auch nur eine geringe langfristige Erfolgsquote von 3 – 7 %. Das bedeutet, dass der alleinige spontane Entschluss zum Aufhören in 93 – 97 %
der Fälle innerhalb kurzer Zeit, meist nur wenige Tage oder Wochen, mit einem Rückfall in das bisherige Rauchverhalten endet.

Politische Hindernisse und Stolpersteine

Rauchen wird in Deutschland weiterhin als „lifestyle“ – also ein Verhalten für oder gegen welches ich mich bewusst entscheiden kann – angesehen und nicht als (Sucht-)Erkrankung anerkannt. Demzufolge werden therapeutische Entwöhnungsmaßnahmen für Raucher seitens der Krankenversicher-ungen nicht finanziert, wie es beispielsweise bei Alkohol- oder Tablettenabhängigkeit oder Abhängigkeit von illegalen Substanzen selbstverständlich ist, selbst mehrfach bei möglichen Rückfällen.

Raucher können bei einer Teilnahme an zertifizierten Entwöhnungsprogrammen lediglich einen „Zuschuss“ durch die Krankenversicherung gemäß dem sog. Primärpräventionsparagraphen (§ 20 SGB V) erhalten, müssen die Kosten für die Entwöhnung jedoch selbst vorstrecken und den größeren Teil der Kosten auch selbst tragen. Kosten für Entwöhnungsmedikamente, obwohl diese gut wirksam und für viele abhängige Raucher zum Einstieg in den Rauchstopp auch erforderlich sind, dürfen durch die aktuell noch geltenden Gesetzesregelungen nicht von den Krankenversicherungen erstattet werden (§ 34 SGB V). Auch hier liegt eine klare Ungleichbehandlung der Suchterkrankungen vor; stellen Sie sich vor, ein Alkoholabhängiger müsste seine zum Entzug notwendigen Medikamente selbst bezahlen!? Der Bundestag hat zwar im Sommer 2021 einen Änderungsbeschluss für abhängige oder erkrankte Raucher getroffen, aber die Umsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) wird voraussichtlich noch mehrere Jahre dauern. Zeit, in denen Raucher weiterhin keine Unterstützung zum Aufhören bezahlt bekommen.

Deutschland ist darüber hinaus bei den politischen Tabakkontrollmaßnahmen Schlusslicht in Europa. Gründe dafür sind neben den gerade genannten gesetzlichen Regelungen auch der freie Verkauf, das bislang nicht konsequent umgesetzte Werbeverbot, die im Vergleich niedrige Besteuerung von Tabakprodukten, die sehr heterogenen und in vielen Bundesländern laxen Nichtraucherschutzgesetze, usw.

Eigentlich müsste aufgrund der eingangs dargestellten Fakten und Zahlen erwartet werden, dass alle Beteiligten, also Raucher, Nichtraucher, Ärzte, Politiker und Verantwortliche bei den Krankenversicherungen, alle Hebel in Bewegung setzen um a) den Einstieg in das Rauchen (der meist im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter stattfindet) zu verhindern und b) möglichst vielen Raucher eine evidenz- und leitlinienbasierte Unterstützung für den Rauchstopp anzubieten.

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Das rauchfrei Startpaket der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Auf der Internetseite der BZgA besteht zudem die Möglichkeit, sich am rauchfrei Ausstiegsprogramm der BZgA kostenlos anzumelden. Hier werden die Teilnehmenden über 21 Tage bei ihrer Entwöhnung begleitet. Zum Startpaket.

Wie geht nun das Aufhören?

Außer natürlich dem Entschluss, überhaupt aufhören zu wollen, kennen wir zwei Kernelemente, die Raucher beim Aufhören benötigen: 1. verhaltenstherapeutische Unterstützung und 2. bei Vorliegen einer Abhängigkeit auch medikamentöse Unterstützung.

Die Verhaltenstherapie zielt auf eine nachhaltige Verhaltensänderung ab. Raucher müssen lernen, in den bisherigen Rauchsituationen etwas anderes zu machen, also z. B. anstatt sich 15 Min. nach dem Aufstehen eine Zigarette anzuzünden besser Kniebeugen, Liegestütze, ein Workout, eine Entspannungs- oder eine Yogaübung zu machen. Oder sie müssen Nichtraucherpausen erlernen, also eine Pausengestaltung ohne Zigarette, z. B. mit gesunder Ernährung, einer Atemübung, einem Spaziergang oder einem kurzen Sonnenbad auf einer Bank. Die Möglichkeiten für ein neues Verhalten sind dabei eigentlich unbegrenzt und jeder muss für sich praktikable Alternativen für jede eigene Rauchsituation finden.

Bei der medikamentösen Unterstützung geht es darum, abhängigen Rauchern den Schritt in ein rauchfreies Leben überhaupt erst zu ermöglichen, indem die Entzugssymptome in den ersten Wochen gemildert werden. Diese sind nämlich überwiegend für die große Zahl an Rückfällen innerhalb der ersten drei Monate nach einem Rauchstopp verantwortlich. In Deutschland sind derzeit drei Medikamentengruppen zugelassen:

  1. Nikotinersatzprodukte (z. B. Pflaster oder orales Nikotin [Kaugummi, Lutschtabletten, Mundspray]),
  2. Partielle Nikotinrezeptoragonisten (z. B. Vareniclin oder seit 12/20 Cytisin) und
  3. ein Antidepressivum (Bupropion).

Nikotinpräparate sind in Apotheken ohne Rezept erhältlich, die anderen Medikamente sind verschreibungspflichtig. Die beste Unterstützung für Raucher bieten Entwöhnungskurse, die in der Regel über mehrere Wochen gehen oder Einzeltherapien über mehrere Termine, bei abhängigen Rauchern meist in Verbindung mit einer medikamentösen Unterstützung. Entsprechende Programme zeigen langfristige Erfolgsquoten von 35 – 45 %. Es besteht jedoch das Problem, dass Kurse für aufhörbereite Raucher nicht überall und nicht zu jedem Zeitpunkt unmittelbar verfügbar sind. Aktuell durch Corona ist die Zahl an Präsenzkursen quasi fast auf null gesunken.

Hier bieten in den letzten Jahren zunehmend Onlineentwöhnungsangebote und Apps eine sehr gute Alternative. Wichtig ist, dass die Inhalte solcher digitalen Angebote auf den Empfehlungen der Leitlinien fußen, idealerweise gibt es sogar Studien, welche die Wirksamkeit des jeweiligen Angebots belegen. Eine der Entwöhnungs-Apps „NichtraucherHelden-App“ erfüllt diese Kriterien und ist seit Juli 2021 als sogenannte „App auf Rezept“ verordnungsfähig. Die Kosten für diese App werden durch die Krankenversicherungen vollständig übernommen (https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis).

Fazit:

Ein Rauchstopp ist mit einer entsprechenden (leitlinienbasierten) Unterstützung eigentlich für jeden Raucher möglich. Die einen benötigen weniger, die anderen dagegen sehr viel Unterstützung.

Deutschland ist in Bezug auf die Unterstützung von Rauchern, aber auch im Bereich der Tabakkontrollpolitik eher Entwicklungs- als Schwellenland und es müssen sich in den kommenden Jahren sehr viele Rahmenbedingungen verbessern, um die Raucherquote und dann mit zeitlicher Verzögerung auch die Erkrankungs- und Sterbezahlen senken zu können.

Über den Autor:

Dr. med. Alexander Rupp ist Facharzt für Innere Medizin & Pneumologie, Allergologie, Suchtmedizin und Notfallmedizin. Er unterstützt Alpha1 Deutschland e.V. als wissenschaftliches Beiratsmitglied für den Bereich ‚Lunge und Tabakentwöhnung‘.

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