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„Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.“ Resilienz ist mehr als ein cooler Spruch!

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Referentin: Monika Tempel, Zentrum für Pneumologie, Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinik Donaustauf
Zusammenfassung: Prof. Gratiana Steinkamp, so erschienen im Alpha1-Journal 1-2018.

Der Begriff Resilienz

Ursprünglich kommt der Begriff Resilienz aus der Materialkunde. Ein Material besitzt Resilienz, wenn es nach einer elastischen Verformung wieder in den Ausgangszustand zurückkehren kann. In der Psychologie wird mit Resilienz die Fähigkeit einer Person bezeichnet, Krisen zu bewältigen und sie als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, indem man auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zurückgreift.

Geschichte der Resilienz-Forschung

Der 1905 in Wien geborene Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl wurde 1942 ins Konzentrationslager deportiert. Seine dortigen Erlebnisse machten ihm deutlich, dass Sinn ein wichtiger Wert zum Überleben ist. Oder wie Nietzsche es formulierte: „Wer ein »Warum« zu leben hat, erträgt fast jedes »Wie«“. Nachdem Franke vier Lager überlebt hatte, beschrieb er in einem Buch die Werte, die ihn hatten überleben lassen. Wichtige Faktoren waren sein soziales Netzwerk, außerdem Humor und Imagination. So stellte er sich beispielsweise vor, wie er später, nachdem die schreckliche Zeit ein Ende gefunden haben würde, einen Vortrag über seine Erfahrungen im Konzentrationslager halten würde. In seiner Jugend war Franke ein begeisterter Kletterer. Da Franke eigentlich Höhenangst hatte und mit dem Klettern dieses Problem angehen wollte, war das Bergsteigen »gelebte Resilienz«. Er schrieb: »Bergsteigen, die Erinnerung, wie sich der Fels anfühlt, das war einer der Beweggründe, die Schrecken des KZ zu überstehen«.
Der amerikanische Soziologe Aaron Antonovsky befragte in Israel Überlebende von Konzentrationslagern zu ihren Erfahrungen. Diejenigen Personen, die trotz aller Widrigkeiten gesund geblieben waren, hatten ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl (Gefühl für einen schlüssigen Zusammenhang) mit den drei Komponenten »ich verstehe, was geschieht«, »ich kann es handhaben«, und »es ist sinnvoll«. Antonovsky entwickelte das Konzept der Salutogenese (Entstehung von Gesundheit) als Antwort auf die Frage, was den Menschen gesund hält. Belastende Faktoren oder Stressoren können eine Person krank machen (Pathogenese), umge-
kehrt unterstützen seine Stärken oder Ressourcen den Menschen beim Gesundbleiben. Die Waage zwischen belastenden und stärkenden Faktoren wird durch das Kohärenzgefühl beeinflusst, sodass sich die Waage schließlich eher in die kranke oder in die gesunde Richtung neigt.
Die amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner beobachtete auf der Hawaii-Insel Kaua‘i 698 Kinder über viele Jahre und erforschte den Einfluss von Risikofaktoren wie Armut oder häusliche Gewalt auf die seelische Entwicklung der Kinder. Werner stellte fest, dass etwa 1/3 der Kinder aus einem Hochrisiko-Umfeld sich trotzdem vollkommen normal entwickelten. Diese Kinder hatten eine stabile emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson, die nicht unbedingt ein Familienmitglied sein musste. Die Kinder waren »verletzlich, aber unbesiegbar« und sie entwickelten sich »allen Widrigkeiten zum Trotz«. Später bestätigten deutsche Längsschnitt-Studien aus Bielefeld und Mannheim die Ergebnisse von Frau Werner.
Die Neuropsychologie kann mit bildgebenden Verfahren inzwischen Anhaltspunkte für Beziehungen zwischen chronischen Krankheiten, Depression und Resilienz liefern. Die Resilienz steht demnach im Zusammenhang mit der Situation am Transporter-Gen für Serotonin, vor allem bei Personen mit nur geringer sozialer Unterstützung. Der Botenstoff Serotonin spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen und bei der Entstehung von Depressionen.

Aktuelles Konzept der Resilienz

An der Universität Mainz wurde ein Sonderforschungsbereich speziell für die Resilienz-Forschung gebildet. Hier beschäftigt man sich mit dem Risiko-/Schutz-Faktoren-Modell. Risikofaktoren hemmen die Entwicklung einer Person, erhöhen das Risiko und begünstigen Krankheit. Umgekehrt begünstigen Schutzfaktoren eine positive Entwicklung, ein geringeres Risiko und sie verhindern oder mildern Krankheit. Diese Faktoren beeinflussen also den Anpassungsprozess an widrige Ereignisse. Wichtig ist, dass man mit geeignetem Training auf die Resilienzfaktoren und Ressourcen Einfluss nehmen kann.
Aktuell betrachten die Experten Resilienz nicht als unveränderbares Persönlichkeitsmerkmal, sondern als dynamischen und lebenslangen Prozess im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt. Als Metapher dafür gilt der Baum im Wind: er setzt starkem Wind Widerstand (Resistenz) entgegen, erholt sich nach Abflauen des Windes wieder (Regeneration) und passt sich schließlich in seinem Wachstum der vorherrschenden Windrichtung an (Rekonfiguration). Die Mainzer Resilienz-Forscher untersuchen einzelne Resilienzfaktoren wie Persönlichkeitsfaktoren, Lebensgeschichte, soziale Unterstützung oder die genetische Ausstattung. Aus mehreren Faktoren bilden sie Gruppen von Resilienz-Mechanismen, die schließlich zu einem bestimmten Ergebnis führen. Die einzelnen Mechanismen kann man mit Interventionen stärken.
Mithilfe bestimmter Fragebögen kann man Resilienz messen. Ein guter Fragebogen zur Bestandsaufnahme für die Praxis ist der TRUST-Resilienz-Fragebogen (RF15) [DIA 72]. Die 15 Fragen werden auf einer Skala von 0 (schlecht) bis 10 (gut) Punkten beantwortet und die Punktzahlen addiert. Es gibt keinen Normbereich, sondern man schaut sich für jedes Element an, wo Verbesserungsmöglichkeiten liegen.

Der Resilienz-Koffer

Zahlreiche Faktoren unterstützen die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen. Bei chronischer Krankheit ist Resilienz meist noch wichtiger als soziale Unterstützung und hohes Einkommen, um sich an die Krankheit anzupassen.
Hilfreich ist das aktive Coping, also Bewältigungsstrategien, die sich auf die eigenen Stärken der Person beziehen. Damit kommt man zu anderen Bewertungen. Im Vergleich zu Vermeidung oder Verdrängung wirkt sich aktives Coping bei den meisten Menschen günstiger auf die körperliche und emotionale Funktion aus. Zum Beispiel kann man sich vornehmen, das Beste aus der Situation zu machen. Auch strukturiertes Problemlösen stärkt das aktive Coping, ebenso wie das Ausarbeiten von Handlungsplänen, was man im Falle einer Krise tun kann.
Die Emotionsregulation ist ebenfalls wichtig. Damit ist gemeint, die eigenen Gefühle in eine bestimmte Richtung beeinflussen zu können. Zur Unterstützung der Emotionsregulation kann man sich beispielsweise vorstellen, wie man in Stresssituationen reagieren wird.
Entscheidend ist auch, die eigenen Werte zu überprüfen und zu erkennen, welches die wichtigsten Werte sind, nach denen man lebt. Man führt sich die Quellen für den Sinn im Leben vor Augen, zum Beispiel soziale Beziehungen, Beruf oder Ehrenamt. Die persönlichen Werte kann man sich auch deutlich machen, indem man sich vorstellt, was man bei der Feier zu seinem 80. Geburtstag über sich hören möchte: »er hat bis zum Umfallen gearbeitet« oder lieber »er ist ein fürsorglicher und liebevoller Ehemann und Vater«.

Einen hohen Stellenwert für Resilienz hat außerdem die spirituelle Praxis in Form von Beten, Meditation oder Aktivitäten in der Gemeinde.
Mit Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist gemeint, dass man davon überzeugt ist, mit der Situation umgehen zu können und dass man über die nötigen Mittel verfügt, um sie zu bewältigen. So kann man selbst Einfluss auf den Verlauf des Geschehens nehmen. Diese Haltung hat sich in Studien als günstiger erwiesen als das fatalistische »ich kann ja sowieso nichts tun«. Hilfreich ist hier, wenn man sich seine persönlichen Stärken vor Augen führt und sich klar macht, wie man bisher Erfolge bei der Bewältigung unangenehmer Situationen erzielt hat.
Realistischer Optimismus gilt ebenfalls als hilfreiche Strategie. In einer Studie bei Patienten mit Lungenkrebs hatten pessimistische Personen ein deutlich kürzeres Überleben als nicht-pessimistische.
Förderlich sind auch positive Emotionen. Schreibt man in einem Dankbarkeits-Tagebuch auf, wofür man dankbar ist, versetzt einen dies in eine positive Stimmung. Sich das »bestmögliche Selbst« vorzustellen ist eine weitere Möglichkeit. Man denkt an sein zukünftiges Leben und stellt sich vor, dass alles so gut gelaufen ist wie möglich und man alle Lebensziele erreicht hat.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Training und Interventionen die Resilienz stärken können. Entsprechende Angebote zur Unterstützung sind daher ernst zu nehmen und haben nichts mit Esoterik zu tun.

Zusammenfassung: Prof. Gratiana Steinkamp, so erschienen im Alpha1-Journal 1-2018.

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