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Eine Übersicht von Heilungsansätzen für Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

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Alexander Niepel, überprüft durch Herrn Dr. Pavel Strnad

Dieser Artikel entstand in Anlehnung an eine Online-Präsentation von Willscott Naugler*. Ursprünglich hielt er darüber einen Vortrag auf dem Jahrestreffen der amerikanischen Alpha-1 Foundation** im Mai 2019. Dr. Naugler wurde als die Alpha-1-Leber Koryphäe der US-Westküste schlechthin vorgestellt.

Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) hat seinen Ursprung in der Leber. Die Leber hat viele verschiedene Aufgaben, zu denen auch die Herstellung von Enzymen gehört. Enzyme sind Katalysatoren, die bestimmte Reaktionen im Körper beschleunigen. Alpha-1 benötigt der Körper im Zusammenspiel mit dem Immunsystem zum Schutz der Lunge. Beim AATM wird dieses Enzym falsch produziert und kann die Leberzellen (Hepatozyten) nicht verlassen. Das führt dazu, dass es sich in den Zellen ansammelt und diese schlussendlich zu Grunde gehen. Interessanter Weise kann man die Ansammlungen von falschem Alpha-1 in Gewebeproben sehen:

Bild: Spezialfärbung einer Lebergewebsprobe zur Darstellung der Akkumulation des mutierten Alpha-1-Antitrypsins- Die Aggregate erscheinen pink (siehe Pfeile).

Ist es eigentlich ein Problem, dass Leberzellen an der Alpha-1-Ansammlung sterben? Nicht unbedingt! Nur weil man PiZZ ist, bekommt man nicht notwendigerweise Krankheitssymptome. Warum das so ist, ist ebenfalls ein Forschungsthema. Frau Prof. Janciauskiene hatte ja hierzu auf dem Infotag in Göttingen um Blutproben gebeten.

Den Mangel an Alpha-1 im Körper kann man durch die Substitutionstherapie ausgleichen, es ist aber unklar, ob es den Leberzellen hilft. Was könnte man nun tun, um die Leberzellen zu schützen? Kann man vielleicht die Leberzellen reparieren, damit sie das Alpha-1 wieder richtig produzieren?

Zu beidem gibt es Ideen, und es ist schon einmal sehr beruhigend zu hören, dass es diese gibt, aber vorab sollte man zur Kenntnis nehmen, dass sich alle hier vorgestellten Ansätze in verschiedenen Forschungsstadien befinden. Bis zur routinemäßigen Anwendung beim Menschen ist es noch lange hin. Immerhin, das ein oder andere funktioniert bei Mäusen.

Natürlich werden jetzt alle einwerfen, dass es ein funktionierendes Verfahren gibt: die Lebertransplantation. Stimmt, das ist aber ein recht steiniger Weg. Zum einen liegt das an den nicht unerheblichen Operationsrisiken bzw. -folgen, zum anderen ist die anschließende Immunsuppression auch nicht gerade problemfrei. Das ausschlaggebende Argument ist aber der Mangel an Spenderorganen.

Alle anderen Verfahren fallen in den Bereich der Gentherapie. Für Forschungen zu Gentherapien ist AATM ein durchaus interessanter Fall, weil es sich nur um ein einziges, klar identifiziertes Gen handelt, das die Krankheit auslöst. Zum anderen ist AATM die dritthäufigste Erbkrankheit – beachte: Erbkrankheiten sind insgesamt im Vergleich zu den “erworbenen” Krankheiten selten, aber unter diesen ist Alpha-1 häufig.

Ein Ansatz wird in der siRNA (small interfering RNA) Studie verfolgt, die kurz von Herrn Dr. Strnad in Göttingen erwähnt wurde. Diese Studie tritt jetzt in die Phase 2. Ziel ist es, die Produktion von falschem Alpha-1 zu verhindern. Hier greift man in die Vorgänge in der Leberzelle ein, belässt aber das fehlerhafte Erbgut (DNA) unverändert. Die Vorgänge werden sehr schön in YouTube Videos als Vorbereitung für das Abitur in Biologie dargelegt (Stichwort: Translation & Transkription bei www.thesimpleclub.de/go), sollten also kinderleicht zu verstehen sein. Ich habe aber Bio abgewählt und werde das jetzt nicht für diesen Artikel nachholen. Trotzdem – die Idee ist in etwa so: Das Erbgut hat die Information gespeichert, wie das Alpha-1 Enzym aussehen soll. Im ersten Schritt wird ein Spiegelbild des relevanten DNA Strangs erstellt, die mRNA (messenger RNA auch Boten-RNA). Aber bevor die RNA bei der Bildung von Alpha-1 verwendet wird, kommt das zugeführte Medikament und blockiert diese RNA. Verstanden? Gut! Reicht leider trotzdem nur für null Punkte im Bio Abi. Am Ende würde man die Leberschäden verhindern, aber noch nicht die Lunge schützen, weil kein richtiges Alpha-1 produziert wird. Dieses müsste man weiterhin per Substitutionstherapie zuführen.

Um sowohl die Leber als auch die Lunge zu schützen, muss man in das Erbgut eingreifen und gezielt die defekten Stellen reparieren. Im Labor kann man das schon, die spannende Frage ist, wie man dieses reparierte Erbgut in den menschlichen Körper bekommt.

Hierzu kann man zum Beispiel Viren verwenden. Die können an sich schon “Dinge” in menschliche Zellen schleusen und diese krank machen. In dem DNA Vector Verfahren entnimmt man im Labor dem Virus seine eigene Erbgutinformation und macht ihn damit unschädlich. Dann fügt man die im Labor hergestellte Erbgutinformation ein und injiziert dem Patienten diesen Virus. Die Viren schleusen dann diese Information in die menschlichen Zellen. Nur dass sie jetzt nicht mehr krank machen, sondern das “Reparaturset” vor Ort anliefern. Die Probleme sind hier noch, dass die Effekte entweder nicht dauerhaft sind oder nicht gezielt genug ausgeführt werden und z.B. das Krebsrisiko steigt.

Nun, wenn die Viren das nicht hinbekommen, dann machen wir den Austausch halt auch im Labor à la “Was man nicht selber macht …”. Der Ansatz hier ist, dass man per Biopsie Leberzellen entnimmt, im Labor gezielt das Erbgut repariert, und diese Leberzellen wieder in die Leber injiziert. Dort vermehren sie sich und verdrängen über die Zeit die fehlerhaften Leberzellen. Bei Mäusen hat das schon geklappt.
Wenn diese “Repopulation” funktioniert, dann produziert die Leber gesundes Alpha-1 und schützt die Lunge. Auch wird die Leber durch neues falsches Alpha-1 nicht weiter geschädigt. Aber das bereits vorhandene falsche Alpha-1 ist weiterhin da und verschwindet nicht. Und hier greift der “Autophagy” Ansatz: Alle menschlichen Zellen sterben, werden vom Körper recycelt und neu gebildet. Wie im Focus zu lesen war ist im Körper eines 50 Jährigen keine Zelle älter als 10 Jahre. Beachtlich. Und, ja leider, man ist trotzdem 50, und nicht jünger … Die Leber wird im Laufe des Lebens sogar 18 Mal runderneuert. Wenn aber das Erbgut wie bei AATM defekt ist, dann funktioniert dieses Recycling nicht und die Zellen mit dem falschen Alpha-1 verbleiben, siehe Bild oben. Hier kann man schon dem Körper auf die Sprünge helfen und den Recyclingmechanismus anpassen. Auch dies wurde bereits bei Mäusen geschafft, aber noch nicht bei Menschen.

Was lässt sich zusammenfassend sagen? Erstmal ist es gut, dass wir die Substitutionstherapie haben und die Lunge schützen können. Es gibt spannende Ideen, wie man Alpha-1 bei der Wurzel greifen kann und es gibt viele kluge Menschen, die daran arbeiten. Es dauert halt noch. Dr. Naugler meinte, dass das bestimmt noch passieren wird, bevor er in Rente geht. Dass er 50 Jahre alt ist, lässt uns Alphas doch hoffen.

Alexander Niepel, überprüft durch Herrn Dr. Pavel Strnad

* “A1ATD and liver disease”, 5. Mai, 2019, Alpha-1 Foundation
Willscott Naugler, MD
Associate Professor of Medicine
Medical Director of Liver Transplantation
Division of Gastroenterology and Hepatology
Oregon Health and Sciences University

** Die Alpha-1 Foundation (https://www.alpha1.org/) ist wie Alpha1 Deutschland eine Patientenvereinigung in den USA, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Alphas zu helfen und eine Heilung für die Krankheit zu finden. Die Alpha-1 Foundation wurde 1995 gegründet und ist weltweit mit Instituten, Patientenverbänden und der Pharmaindustrie verknüpft. Es handelt sich um eine außerordentlich große Organisation, da u.a. auch die Unterstützung durch Spenden bemerkenswert hoch ist.

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