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COPD und Alpha-1: „Patienten nicht in einen Topf werfen“

AutorIn

Alpha1 Deutschland e.V.

Inga Jarosch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachzentrum Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land. In einer kürzlich im Fachmagazin Respiration veröffentlichten Studie hat die Forscherin untersucht, wie sich körperliches Training im Rahmen einer dreiwöchigen Reha auf COPD-Patienten mit und ohne Alpha-1-Antitrypsin-Mangel auswirkt. Alpha1 Deutschland sprach mit Frau Jarosch über ihre überraschenden Ergebnisse.

Bei Lungenerkrankungen wie COPD und Alpha-1 wird die Skelettmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen. Warum ist das so?
Dafür sind mehrere Faktoren ausschlaggebend. Durch den chronischen Sauerstoffmangel verändern sich die Muskelfasern und die Gefäße, die den Muskel mit Sauerstoff versorgen. Der Muskel ermüdet leichter. Hinzu kommt die Atemnot. Dadurch neigen viele Patienten dazu, körperliche Belastung zu vermeiden. Damit nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit weiter ab. Es besteht die Gefahr einer „Inaktivitätsspirale“, die letzten Endes zur Immobilität führen kann.

Inwiefern kann körperliches Training hier gegenwirken?
Körperlich aktiv bleiben ist immens wichtig. Es muss nicht immer gleich ein intensives Trainingsprogramm sein. Schon Alltagsaktivitäten wie Gartenarbeit oder Spaziergänge mit dem Hund haben positive Auswirkungen. Auch mit einem Fahrrad-Ergometer oder einem einfachen Thera-Band lassen sich zuhause gute Ergebnisse erzielen. Die Lungenerkrankung selbst kann ich als Alpha-1­-Patient kaum oder gar nicht beeinflussen. Aber den Faktor körperliche Aktivität und Leistungsfähigkeit habe ich selbst in der Hand. Wer körperlich aktiv bleibt, reduziert seine Symptome und steigert die Lebensqualität.

Sie haben Patienten mit Alpha-1 (PiZZ) und solche mit nicht-vererbter COPD (PiMM) hinsichtlich ihrer Trainingserfolge untersucht. Was hat Sie am meisten überrascht?
Die Alpha-1-Patienten in unserer Studie waren jünger als die COPDler, haben weniger oft geraucht und waren sehr motiviert. Trotzdem war ihr Zuwachs an Leistungsfähigkeit im Vergleich geringer: Sie konnten sich im Rahmen unseres dreiwöchigen Trainingsprogramms weniger stark verbessern als die Patienten mit COPD.

Was genau haben Sie gemessen?
Wir haben den klassischen 6-Minuten-Gehtest gemacht und die Spitzenleistung auf dem Fahrrad-Ergometer ermittelt. Außerdem haben wir uns den Muskel direkt angeschaut, um festzustellen, welche Auswirkungen das Training hat. Dazu haben wir eine kleine Probe aus dem Oberschenkelmuskel entnommen und die Muskelfasern untersucht.

Welche Unterschiede haben Sie festgestellt?
Vereinfacht gesagt gibt es zwei Arten von Muskelfasern. Typ I ist für die Ausdauer zuständig: Diese Fasern arbeiten sehr ökonomisch und brauchen Sauerstoff, um zu funktionieren. Typ II ist eher kraftorientiert und ermüdet schneller. Für Aktivitäten im Alltag ist die Ausdauer entscheidend.
COPDler haben in unserer Studie erwartungsgemäß vor allem Muskelfasern vom Typ I aufgebaut – wie wir es von gesunden Menschen nach einer entsprechenden Trainingsphase auch kennen. Bei den Alpha-1-Patienten gab es eine Überraschung: Sie blieben im Hinblick auf Typ I Muskelfasern stabil und bauten eher Fasern vom Typ II auf. Das ist wohl auch der Grund, warum sie ihre Leistung nicht so stark steigern konnten.

Woran könnte das liegen?
Das wissen wir noch nicht mit Sicherheit. Wir haben Hinweise darauf, dass die Substitutionstherapie eine Rolle spielt. Möglicherweise wirkt sie wie eine „Proteindiät“ und fördert damit eher den Kraftaufbau als die Ausdauer. Bisher ist das allerdings nur eine Vermutung – für definitive Aussagen war auch die untersuchte Patientengruppe zu klein. Mehr Klarheit erhoffen wir uns von einer weiteren Studie, die wir gerade begonnen haben.

Was bedeuten ihre Ergebnisse für Alpha-1-Patienten und ihr Trainingsprogramm?
Zunächst einmal hat unsere Studie gezeigt, dass Alpha-1-Patienten und COPDler nicht einfach in einen Topf geworfen werden sollten. Das klinische Bild der beiden Erkrankungen ist in vieler Hinsicht verschieden.
Von körperlichem Training profitieren aber beide Patientengruppen erheblich. Die Unterschiede, die wir im Muskel feststellen konnten, sind in der Praxis gar nicht so stark spürbar. Beim 6-Minuten-Gehtest lagen beide Gruppen zum Beispiel gleichauf. Trotzdem könnten unsere Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, ein spezielles Trainingsprogramm für Alpha-1-Patienten zu entwickeln, das genau auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe angepasst ist.

Wie geht es weiter?
Wir möchten herausfinden wie Patienten auf unterschiedliche Trainingsintensitäten reagieren und welches Training für welchen Patienten den größten Mehrwert hat. Außerdem möchten wir besser verstehen, welche Parameter für die Unterschiede, die wir gefunden haben, verantwortlich sind. Für diese Studie suchen wir noch Patienten, die gerne mitmachen und uns bei der Grundlagenforschung unterstützen möchten.

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