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Alpha1 Deutschland e. V.

Dieser Newsletter widmet sich heute mal ganz der Forschung. In der U.S. National Library of Medicin finden sich allein für den Suchbegriff ‚Alpha-1-Antitrypsin Deficiency‘ 129 Studien. Die Entwicklung neuer Technologien ist in den letzten Jahren rasant vorangeschritten. Wir alle wünschen uns, dass nun endlich jemand die ‚Pille‘ gegen unseren Gendefekt findet. Wir wissen nur zu gut, dass dies Zeit braucht — und Menschen, die sich aktiv an Studien beteiligen.

An dieser Stelle daher ein großes Dankeschön an alle Forscher und Studienteilnehmer!

Arrowhead/Takeda feiert erste Erfolge bei Alpha-1-Leberpatienten

Patienten mit einem schweren Alpha1-Antitrypsin-Mangel vom Genotyp Pi*ZZ besitzen eine doppelte Krankheitsbelastung. Das falsch gefaltete Z-AAT-Protein kann nicht aus der Leber ausgeschleust werden, akkumuliert (reichert sich dort an) und führt zu einem so genannten proteotoxischen Stress. Das Fehlen von AAT im Blut führt dann zu einem beschleunigten Abbau des Lungengewebes. Während das fehlende AAT mit einer Augmentationstherapie substituiert werden kann, gibt es für die Lebererkrankung keine zugelassene medikamentöse Option. Hoffnung gibt eine aktuelle Studie, die federführend bei uns in Deutschland durchgeführt wurde. Worum geht es? In der Studie wurden die Arbeitskopien, die für die Herstellung von AAT benötigt werden, auch als mRNA bekannt, mithilfe einer siRNA namens Fazirsiran neutralisiert, wodurch die AAT-Produktion gehemmt wurde. siRNAs stellen dabei einen recht neuen Therapieansatz dar. In den letzten Jahren wurden vier verschiedene Medikamente, die auf diesem Prinzip beruhen, bereits für andere Erkrankungen zugelassen.

Die Fazirsiran-Arrowhead-Studie wurde im ‚The New England Journal of Medicine‘, eine der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschrift, veröffentlicht. In der Studie wurde Fazirsiran insgesamt 16 Probanden appliziert (verabreicht). Vier Probanden erhielten die niedrigere (100 mg), die anderen die höhere Dosis (200 mg). Es zeigt sich, dass die Fazirsiran-Gabe zu einer >80%igen Reduktion des mutierten Z-AAT-Proteins sowohl im Blut als auch im Lebergewebe führte. Zudem haben sich die Leberwerte normalisiert. In dem Beobachtungszeitraum von einem Jahr blieb die Lungenfunktion stabil und es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet, die einen Studienabbruch notwendig gemacht hätten.

Der Studienleiter, Herr Prof. Strnad, sagt hierzu: „Mit dieser Studie können wir Patienten mit einer Leberbeteiligung erstmalig Hoffnung auf eine medikamentöse Therapie geben. Vor Zulassung müssen zwar noch einige Fragen geklärt werden, bereits heute besteht aber die Möglichkeit, im Rahmen von Zulassungsstudien eine siRNA-Therapie zu erhalten. Zu den weiteren attraktiven Eigenschaften von Fazirsiran gehört die leberspezifische Wirkungsweise sowie die lange Wirkungsdauer (es wird jede 12 Wochen als subkutane Spritze appliziert). Wenden Sie sich gerne an uns, sollten Sie weitere Fragen haben.“

Alpha1 Team der UK Aachen unter Leitung von PD Pavel Strnad

Bleiben wir bei der Leber:

Auch bei der Firma Vertex gibt es erste Erfolge: Vertex gibt Erreichen des primären Endpunkts in Phase-2-Studie zu VX-864 bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bekannt

Eine ähnliche Technologie kommt auch bei Z-Factor aus Cambridge zum Einsatz, das Studiendesign ist hier nachzulesen.

Die Pressemitteilungen machen unseren Leber-Patienten ebenfalls Hoffnung auf weitere Behandlungsmöglichkeiten.

Smartphone-App für COPD-Patienten

Um Rehabilitationseffekte, die während einer stationären Reha hart erarbeitet wurden, aufrechtzuerhalten, muss sich langfristig ein aktiver Lebensstil im Alltag des Patienten etablieren. Oftmals fällt es Betroffenen jedoch schwer, die körperliche Aktivität und Leistungsfähigkeit zu Hause zu erhalten und ein körperliches Training in den Alltag zu integrieren. Dass ein aktiver Lebensstil bei COPD eine große Wichtigkeit besitzt, haben Studien mehrfach gezeigt: Die Überlebensraten sind eng mit dem körperlichen Aktivitätslevel assoziiert (Watz et al. ERJ 2009, Waschki et al. Chest 2011).

Auf der Suche nach einer Lösung für dieses Problem hat Kaia Heath die Kaia-COPD-App für das Smartphone und Tablet entwickelt. Sie besteht aus den drei Modulen körperliches Training, Entspannung und Schulungsinhalten, die als Videos und Text im Chat-Format zeitlich unabhängig aufgerufen werden können. Es erfolgt eine detaillierte Anleitung für die Trainingsinhalte, sodass die Übungen zu Hause gut reproduziert werden können.

Um die App auf Effektivität zu untersuchen, wurde eine Studie durchgeführt, die in Deutschland (Schön Klinik Berchtesgadener Land) und der Schweiz (Zürcher RehaZentren) COPD Gold II bis IV-Patienten am Ende der stationären Rehabilitation oder der Anschlussheilbehandlung eingeschlossen hat (Spielmanns et al. Thorax 2022). Nach dem Zufallsprinzip wurden die Patienten in eine Interventionsgruppe (Verwendung der App für 6 Monate, Erhalt einer Uhr zur Messung der Aktivität) und eine Kontrollgruppe (keine Verwendung der App, Erhalt einer Uhr) eingeordnet. Besonderes Augenmerk wurde bei den Ergebnissen auf die körperliche Aktivität gelegt, da sie von besonderer Wichtigkeit für den Einzelnen ist.

Insgesamt 60 Teilnehmer schlossen die Studie ab. Die körperliche Aktivität, gemessen an der Anzahl der täglich gegangenen Schritte, blieb in der Interventionsgruppe stabil, während sich die Kontrollgruppe verschlechterte. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war signifikant und für den Patienten klinisch relevant. Die Symptome, abgefragt durch den COPD-Assessment-Test und den Chronic-Respiratory-Disease-Fragebogen (Subdomain „Dyspnoe“), verbesserten sich ausschließlich in der Interventionsgruppe. Interessanterweise war die Compliance, die App auch tatsächlich zu verwenden, sehr hoch: 80 % der Teilnehmer verwendeten die App an mind. 60 Tagen (entspricht durchschnittlich 2,5 Trainingstagen pro Woche) und 67 % an mind. 90 Tagen (3,75 Trainingstage pro Woche).

Diese Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Verwendung der Kaia-COPD-App im Anschluss an eine Rehabilitation die körperliche Aktivität aufrechterhalten kann und dem Patienten einen sinnvollen Leitfaden bietet, den eigenen Lebensstil — unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch die Erkrankung – positiv anzupassen. Die App könnte in Zukunft somit ein wichtiges Zusatzinstrument für eine verbesserte COPD-Behandlung und Reha-Nachsorge sein.

Zurzeit befindet sich die Kaia-COPD-App im Evaluationsprozess der DiGA, um als digitale Gesundheitsanwendung geprüft zu werden und eine Zulassung für die Krankenkassen zu erhalten.

Dr. Inga Jarosch, Schön Klinik Berchtesgadener Land, Schönau

Auch wenn viele Alpha-1-Experten es bereits so gehandhabt haben, freuen wir uns, es nun schwarz auf weiß zu sehen:

Testung auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: ein Serumspiegel allein reicht nicht!

Es gilt zu beachten, dass der Serumspiegel während einer Entzündung, Infektion oder Verletzung um mehr als das Zweifache ansteigen kann und Menschen mit PiMZ oder PiMS einen ähnlich hohen Serumspiegel haben können wie Gesunde (PiMM). Deshalb sollte man sich bei einem AAT-Mangel nicht nur auf den Protein-Spiegel verlassen, wie eine internationale Studie aus dem Jahr 2021 zeigt. Die Autoren schlagen in allen Verdachtsfällen immer die zusätzliche Durchführung einer Gen-Analyse vor.

Auf das Paper, erschienen im Journal oft the COPD foundation, hat uns unser Mitglied Herr Dr. Stutzenberger aufmerksam gemacht.

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und COVID-19:

Symbolbild: Patienten-Umfrage

Im März 2021 wurde eine 19-Punkte-Umfrage an 420 Patienten mit AATD verschickt, die mit einer AAT-Ersatztherapie (Prolastin) behandelt wurden und am deutschen AlphaCare-Patientenprogramm teilnahmen. Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift Pneumologie am 20. Juni 2022 veröffentlicht: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Informationsmanagement und die Einhaltung der Ersatztherapie mit AAT von Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM)

Die Ergebnisse dürfte Alpha-1-Erkrankte nicht verwundern und sie zeigen uns: wir machen vieles intuitiv richtig!

Weitere Forschungsupdates:

Hoffnung für Substituierte machen die Neuigkeiten aus Amerika: „Das diese Woche von Inhibrx veröffentlichte Update zu seinem rekombinanten Alpha-1-Antitrypsin (INBRX-101) ist eine aufregende Neuigkeit für die Alpha-1-Community. Die Möglichkeit einer einmal monatlichen Gabe von Alpha-1-Antitrypsin könnte ein sehr wichtiger Fortschritt in der Therapie von Personen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sein. Wir freuen uns über die positiven Fortschritte in ihrer Forschung und freuen uns auf den Abschluss der Entwicklung dieser neuartigen Behandlung für Alphas durch Inhibrx“, sagte Mark Brantly, MD, wissenschaftlicher Direktor, Alpha-1-Foundation.

Mehr Details dazu finden Sie auf der Seite der Foundation oder bei Inhibrx.

Auch Intellia gehört zu den pharmazeutischen Unternehmen, die sich mit Alpha-1-Antitrypsin beschäftigen. Folgenden Hinweis gab uns unser Mitglied Frau Sieber: In Ihrer Pressemitteilung macht Intellia uns Hoffnung, dass ein auf CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) basierender Kandidat  (NTLA-3001) für die Entwicklung einer gezielten In-vivo-Geninsertion zur Behandlung von AATD-assoziierten Lungenerkrankungen gefunden wurde. Er soll eine gesunde Kopie des SERPINA1-Gens präzise einfügen, um die dauerhafte Expression des funktionellen A1AT-Proteins nach einer einzigen Dosis auf ein therapeutisches Niveau zu bringen. Hier nachzulesen.

Forschung braucht Zeit

Bitte beachten Sie unbedingt, dass wir hier von Forschungen reden — vieles ist noch eine Zukunftsversion, einiges aber auch schon fast greifbar: Forschung braucht Zeit.

Wir möchten, die Hoffnung auf neue Therapien mit Ihnen teilen, weisen aber auch darauf hin, dass die Phasen bis zur Zulassung ihre Berechtigung haben – zur Sicherheit des Patienten! Wie die verschiedenen Phasen von Studien aussehen und was sie bedeuten, können Sie im kommenden Alpha1-Journal lesen, das bald bei Ihnen eintreffen wird.

Gerne möchten wir noch einmal auf das im Nachgang an die Mitgliederversammlung aufgezeichnete Video von unserem Beirat Herrn Dr. Alexander Rupp hinweisen: Spezifische Behandlung bei Alpha-1, COPD und Asthma und auf die zuletzt erschienene Folge 9 ‚Alpha1 & Kinder‘ unserer Podcasts, diesmal mit unserem Beirat Herr Dr. Rüdiger Kardorff.

Bis es neue Therapien geben wird, ist eines nachgewiesenermaßen absolut wichtig für uns Alpha-1-Patienten: die Bewegung!

Genießen Sie den Sommer, tanken Sie Energie und halten Sie sich weiterhin fern von Corona!

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