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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel-assoziierte Begleiterkrankungen: Pannikulitis & Co

AutorIn

Alpha1 Deutschland e.V.

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bei Neugeborenen und Kindern

Neugeborene und Kinder mit PiZZ-Typ haben nicht selten eine Leberbeteiligung, rund 10-15 % entwickeln eine Lebererkrankung und 1-5 % eine Leberzirrhose. Die Ursache dafür ist die veränderte Struktur des krankhaften AAT. Die PiZZ-Moleküle klumpen zu langen Schnüren zusammen und sind so groß, dass sie nicht richtig aus der Leberzelle ausgeschleust werden können. Erst ganz allmählich werden die liegen gebliebenen AAT-Moleküle abgebaut. Dagegen ist die Lungenbeteiligung bei Kindern extrem selten. In Schweden fahndeten Forscher in den 1970er Jahren bei mehr als 200.000 Neugeborenen nach einem AATM. Bei 127 Säuglingen fanden sie den PiZZ-Genotyp. Im Alter von sechs Monaten waren bei 60 % dieser Kinder die Leberwerte im Blut erhöht. Zwei Kinder verstarben wegen schwerer Leberfunktionsstörung. Ermutigend waren die Ergebnisse einer Nachuntersuchung 26 Jahre später: alle Erwachsenen waren gesund, auch die Personen, die als Kind eine Leberbeteiligung gehabt hatten. Auffällige Leberwerte hatten nur 12% der Erwachsenen, aber keiner hatte entsprechende Beschwerden.

Seltene Erscheinungsformen bei Erwachsenen

Die meisten Personen mit PiZZ-Typ haben als Erwachsene mit einer Lungenerkrankung zu tun. Typisch sind das zunehmende Lungenemphysem und die frühe COPD. Auch Leberbeteiligungen sind nicht selten: Das lebenslange Risiko für eine Leberzirrhose wird mit 30-40 % angegeben, und bei etwa 3 % der Patienten kommt es sogar zu einem Leberkrebs. Deswegen ist es so wichtig, eine Leberbeteiligung durch regelmäßige Untersuchungen früh zu erkennen. Bei Verstorbenen mit AAT-Mangel dominiert das Lungenemphysem mit 72 %, gefolgt von der Leberzirrhose mit 10 %. Nur selten findet man andere Erkrankungen wie beispielsweise eine Pannikulitis oder eine spezielle Entzündung der Blutgefäße, die C-ANCA positive Vaskulitis.

Pannikulitis Fallbeispiel 1

Fallbericht einer Frau mit Pannikulitis

Eine knapp 40-jährige Frau aus einem Nachbarland stellte sich im August 2011 zum ersten Mal im Alpha1- Centrum Münster vor. Sie suchte den Kontakt mit den deutschen Experten, weil die dortigen Krankenkassen die Substitutionstherapie mit Prolastin® nicht erstatten wollten.

Bis zum Erkrankungsbeginn 2008 war die Patientin gesund gewesen, sie hatte nicht geraucht und war sportlich aktiv. Ihr war bekannt, dass sie einen PiZZGenotyp hat, ebenso wie eine ihrer Schwestern. Im zeitlichen Zusammenhang mit einer beruflichen Stresssituation traten dann 2008 ausgeprägte Schwellungen der Gliedmaßen auf, und die Patientin nahm massiv an Gewicht zu, mit einem Gewichtsanstieg von 25 kg in wenigen Wochen. Es bestanden ausgeprägte Hautveränderungen und aus einigen Läsionen trat klare Flüssigkeit aus.

Die Ärzte diagnostizierten eine Pannikulitis. Die Patientin wurde mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt, vor allem mit Cortison, mehreren Antibiotika und einem Mittel gegen Lepra. Trotzdem besserten sich die Beschwerden kaum. Im Jahr 2010 hatte sich eine Pannikulitis-Läsion über dem Steißbein so stark entzündet und infiziert, dass eine Operation erforderlich wurde. Danach musste die Patientin zwei Monate lang Bettruhe einhalten. Ärzte zweier Universitätskliniken hielten eine AAT-Substitution nicht für zwingend notwendig. Vielmehr schlugen sie eine Lebertransplantation vor.

Da sie im eigenen Land nicht weiterkam, wendete sich die Patientin nach Deutschland. Bei der ersten Untersuchung in Münster ging es der Patientin schlecht, sie klagte trotz Einnahme von Schmerzmitteln und Psychopharmaka über sehr starke Schmerzen. Bei 180 cm Körpergröße lag ihr Körpergewicht bei 132 kg. Die Hauterscheinungen der Pannikulitis waren stark ausgeprägt, ebenso wie die Schwellungen und Wasseransammlungen an Rumpf und Gliedmaßen. An Händen und Fingern wurden entzündliche Schwellungen mit Arthritis beobachtet. Die Lungenfunktionsuntersuchung zeigte eine verringerte FEV1 von nur 51 % des Solls und eine ausgeprägte Diffusionsstörung. In der Blutgasanalyse war der Sauerstoff-Wert erniedrigt und der pCO2 erhöht. Ihre Leberwerte waren wie bei einer chronischen Hepatitis verändert.

Für die Ärzte in Münster stand außer Frage, dass eine Substitution mit Prolastin® dringend erforderlich war. Nach einem sechsmonatigen Kampf mit den niederländischen Krankenkassen konnte die Patientin dann mit AAT behandelt werden. Ihre AAT-Blutspiegel lagen erst dann im gewünschten Bereich, als die Prolastin®-Dosis auf 100 mg/kg Körpergewicht gesteigert worden war. Danach besserten sich die Beschwerden der Patientin, aber sie verschwanden nicht vollständig. Auffällig waren starke Gewichtsschwankungen von Tag zu Tag, die durchaus 4 kg betragen konnten. Im Bereich der Lendenwirbelsäule war die Pannikulitis besonders schmerzhaft. Dort spritzte man örtlich Betäubungsmittel und entzündungshemmende Steroide, was zu einer Besserung der Beschwerden führte.

Ärzte wissen bis heute nicht, wie das Krankheitsgeschehen bei Pannikulitis zu verstehen ist. Auch die optimale Dosis und Dauer der Substitutionstherapie ist noch offen.

Pannikulitis Fallbericht 2

Fallbericht eines Mannes mit normaler FEV1

Bei dem Mitte 50-jährigen Mann war der AAT-Mangel seit 2013 bekannt. Im Folgejahr stellte er sich zum ersten Mal in Münster vor. Hier war die Frage, ob trotz guter Lungenfunktion eine Substitutionstherapie erfolgen kann und darf. Der Patient war bisher weitgehend gesund gewesen, allerdings bei ungesundem Lebensstil mit Zigarettenrauchen und Übergewicht. Eines seiner Geschwister war mit einer Lebererkrankung verstorben. Jetzt klagte der Patient über Luftnot in Ruhe und bei Belastung. Die Lungenfunktionsdiagnostik ergab zwar eine normale FEV1 von mehr als 120 % des Solls. Jedoch bestand eine Diffusionsstörung, und die Blutgase sprachen für einen Sauerstoffmangel im Blut. Im CT der Lunge zeigte sich ein Lungenemphysem. Die Untersuchung der Leber ergab eine beginnende Leberzirrhose.

Die Ärzte in Münster stellten aus Vergleichswerten fest, dass sich die FEV1 innerhalb von anderthalb Jahren um 600 ml verschlechtert hatte, auch wenn sie aktuell noch im Normbereich lag. Damit war nach den medizinischen Leitlinien die Indikation für eine Substitutionstherapie gegeben. Man entschied sich für eine zeitlich begrenzte Substitution. Bereits nach wenigen Infusionen mit AAT profitierte der Patient von der Therapie. Seine Atemnot besserte sich und seine Sauerstoffwerte im Blut stiegen an. Auch nach der geplanten Beendigung der Substitution wird man ihn engmaschig weiter untersuchen.

Trotz der normalen FEV1 war bei diesem Patienten eine rasche Verschlechterung seiner Lungenfunktion aktenkundig. Außerdem hatte er Beschwerden. Somit waren die Kriterien für eine Prolastin®-Behandlung erfüllt, wie sie der Zulassung des Arzneimittels und der ärztlichen Behandlungs-Leitlinie entsprechen.

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